Reizdarm: Lindern Sie Ihre Beschwerden Mithilfe Von Probiotika
Außerdem: diese Erkenntnisse hat die Wissenschaft bereits
Dieser Artikel wurde von dem Gesundheitsexperten Georg Siebers zuletzt am 16. Juni 2021 überprüft und aktualisiert.
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Es gibt zahlreiche Menschen, die unter dem Reizdarm Syndrom leiden und die mit Verdauungsbeschwerden zu kämpfen haben. Zahlreiche Experten sehen in einer Behandlung mit Probiotika eine Möglichkeit, das Darmgleichgewicht wieder zu regenerieren. Da facto handelt es sich beim Reizdarmsyndrom um eine Erkrankung, die Ärzten und Wissenschaftlern noch immer Rätsel aufgibt. Es wird angenommen, dass in Deutschland zwischen vier und zehn Prozent der Bevölkerung unter dem Reizdarmsyndrom leiden. Neben Durchfall sowie Blähungen und Verstopfungen zählen auch Krämpfe als charakteristische Symptome. Bei zahlreichen Betroffenen sind die Beschwerden stark, dass der Tagesablauf von der Verdauung bestimmt wird.
Reizdarmsyndrom: Was ist das eigentlich?
Bei dem sogenannten Reizdarmsyndrom, das teilweise auch kurz als Reizdarm oder irritables Darmsyndrom, nervöser Darm, Colica mucosa, Reizkolon sowie Colon irritabile oder Colitis spastica bezeichnet wird, handelt es sich um eine vielschichtige, sehr komplexe Erkrankung. Im Allgemeinen wird das Reizdarmsyndrom durch eine spezifische Gruppe von Symptomen, d.h. funktioneller Magen-Darm-Erkrankungen, bestimmt. Mit der Bezeichnung „funktionell“ wird eine Erkrankung dann versehen, wenn auch durch detaillierte medizinische Untersuchungen für die bestehenden Symptome keine organischen Ursachen finden lassen.
Zahlreiche Menschen haben im Laufe ihres Lebens ab und an Probleme im Magen-Darm-Bereich oder leiden teils unter einem empfindlichen Magen. Problematischer gestaltet sich dies allerdings für diejenigen, die vom Reizdarmsyndrom betroffen sind, denn sie leiden unter Durchfall, Blähungen, Stuhldrang, Bauchschmerzen, einem Blähbauch oder aber Verstopfungen. Dabei ist die Symptomatik so stark, dass ihre Lebensqualität dauerhaft beeinträchtigt wird. In Deutschland handelt es sich aufgrund der Häufigkeit der Fälle bei dem Reizdarmsyndrom gewissermaßen um eine Volkskrankheit, wobei Ersterkrankungen in der Regel zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr einsetzen. Im Allgemeinen sind von der Erkrankung doppelt so viele Frauen wie Männer betroffen.
Aufgrund der Tatsache, dass keine organischen Ursachen gefunden werden können, wird angenommen, dass starke psychosomatische Zusammenhänge bestehen, d. h. Körper und Psyche sich wechselseitig beeinflussen. Noch immer besteht in Bezug auf die Erkrankung großer Forschungsbedarf und Experten hoffen, dass das Reizdarmsyndrom sukzessive besser verstanden wird und adäquate Therapieansätze entstehen.
Warum besteht beim Reizdarmsyndrom ein großer Leidensdruck?
De facto kreisen die Gedanken von Betroffenen stets um die bestehenden Beschwerden, so dass ein normales Alltagsleben kaum möglich ist. Patienten, die unter Durchfall oder starkem Stuhldrang leiden, schauen sich kontinuierlich nach Toiletten um, die sie im Fall der Fälle benutzen können. Auch auf den beruflichen Alltag wirkt sich die Erkrankung aufgrund ihrer ausgeprägten Symptomatik negativ auf, denn neben Blähungen und Darmgeräuschen erschweren auch Symptome wie Bauchkrämpfe und Durchfall die Arbeit. Zudem kommt es zu einer Verminderung soziale Tätigkeiten, die sich hieraus ergebende psychische Belastung verstärkt in der Regel die physischen Beschwerden noch, so dass ein Teufelskreis entsteht.
Welche Folgen die Erkrankung langfristig hat, ist bis dato noch nicht ausreichend erforscht, ob sie die Minderung der Lebensqualität der Reisdarmsyndrom-Patienten sowie die enorme psychische Belastung negativ auf die Lebenserwartung auswirkt, ist unklar. Fakt ist, dass die das Reizdarmsyndrom von zahlreichen Betroffenen als belastender erlebt wird, als andere chronisch verlaufende Krankheiten, wie beispielsweise Diabetes oder Bluthochdruck. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Symptome des Reizdarmsyndroms bestmöglich zu lindern und das Risiko etwaiger Folgeerkrankungen auf psychischer Ebene zu minimieren.
Reizdarm: So wird die Krankheit verursacht
Wissenschaftler nahmen noch vor einigen Jahren an, dass es sich beim Reizdarmsyndrom um eine gänzlich somatoforme Erkrankung handele. Der Terminus somatoform bezeichnet dabei eine Störung bzw. Erkrankung, im Zuge derer Betroffene trotz negativer Diagnostik und nicht vorhandener physischer Hinweise auf eine Krankheit weitere diagnostische Maßnahmen fordern. Auch wenn bei einer somatoformen Erkrankung physische Ursachen gefunden werden, reichen diese in der Regel nicht aus, um das enorme Ausmaß bzw. die starke Symptomatik der Betroffenen zu erklären. Neueste Untersuchungen geben allerdings – zumindest ansatzweise – Auskunft über mögliche Ursachen: So konnte durch Untersuchungen bei Patienten mit Reizdarmsyndrom in der Darmschleimhaut Mikroentzündungen ebenso nachgewiesen werden, wie Veränderungen des Mikrobioms, d. h. der Darmflora. Als weitere mögliche Ursache wird die Verbindung zwischen Gehirn und Darmnervensystem gehandelt. Aus den genannten Gründen gehen immer mehr Ärzte davon aus, dass es sich beim Reizdarm keinesfalls um eine rein somatoforme Störung handelt.
Bei zahlreichen Reizdarmsyndrom-Patienten wurde zudem festgestellt, dass sowohl die Aktivität als auch die Beweglichkeit des Darms gestört sind. Dies führt dazu, dass Nahrung nicht wie üblich verdaut und dann über den Darm abtransportiert werden kann. Diesbezüglich wird vermutet, dass durch die gestörte Darmbeweglichkeit eine bakterielle Darmfehlbesiedlung begünstigt wird.
Welche Rolle spielen Darmbakterien bei Reizdarm?
Obschon es Ärzten möglich ist, die Diagnose Reizdarm zu stellen, sind die exakten Auslöser bis heute nur wenig erforscht. Inwieweit die Genetik eines Menschen, psychische Belastungen und Stress oder aber die Einnahme von Antibiotika und Infektionen für die Entstehung des Reizdarmsyndroms verantwortlich sind, gilt es noch zu klären. Zweifelsohne können die Ursachen vielfältig sein, wodurch eine exakte Therapie nur schwer gefunden werden kann.
Nicht selten ist ein Behandlungsmarathon die Folge. So zeigen bei einem Patienten bestimmte Therapien erfolge, bei anderen dagegen keinerlei Wirkung. Sicher ist, dass noch sehr viel Forschung notwendig ist, um Klarheit in Bezug auf das Reizdarmsyndrom zu erlangen. Sicher ist allerdings auch, dass das menschliche Mikrobiom im Zuge der Forschungen immer wieder in den Blickpunkt rückt. Mit dem Ausdruck „Mikrobiom“ werden die circa 100 Billionen Bakterien bezeichnet, die auf und in einem erwachsenen Menschen leben. Bakterien finden sich demnach nicht nur im menschlichen Darm, sondern auch auf den Schleimhäuten, der Haut, im Magen, im Intimbereich oder im Mund. Unzählige Bakterien finden sich im menschlichen Dickdarm, wobei die Artenvielfalt mit 1.400 differenten Bakterienstämme enorm ist.
Fakt ist, gerät die Darmflora aus dem Gleichgewicht, hat dies Folgen für die Gesundheit. Forscher gehen davon aus, dass die Mikroorganismen auch eine mögliche Ursache in Bezug auf das Reizdarmsyndrom – oder zumindest eine Komponente des komplexen Gesamtbildes – darstellen. Obschon früher vermutet wurde, dass den Mikroorganismen lediglich eine Aufgabe in Bezug auf die Verdauung zukommt, zeigen neuere Forschungsergebnisse, dass sie an differenten Prozessen im menschlichen Körper beteiligt sind.
De facto haben die Bakterien Einfluss auf das seelische Wohlbefinden, das Immunsystem und das Körpergewicht eines Menschen. Sie sind zudem an der Entstehung spezifischer Krankheiten beteiligt. So werden aktuell die Zusammenhänge zwischen den Mikroorganismen und Erkrankungen wie multiple Sklerose, Rheuma, Depressionen, Diabetes und dem Reizdarmsyndrom erörtert.
Als gesichert gilt mittlerweile: Wird das Gleichgewicht des menschlichen Mikrobioms gestört, hat dies negative Folgen für die Gesundheit. Welcher Art und wie weitreichend diese Folgen sind, wird derzeit noch erforscht.
Dass dem Mikrobiom in Bezug das Reizdarmsyndrom von Bedeutung zukommt, nehmen zahlreiche Wissenschaftler an. Zudem werden immer neue Studien zu dieser Thematik durchgeführt, aus allen Studien geh hervor, dass eine Beeinflussung der Reizdarm-Symptomatik über die Darmflora möglich ist.
Die Darmflora bei Reizdarm-Patienten
Belegt ist also mittlerweile, dass sich die Darmflora und der Stuhl von Patienten mit Reizdarm stark von denen gesunder Personen unterscheiden. So ist bei Patienten mit Reizdarmsyndrom beispielsweise die Anzahl von Bifidobakterien, Bacteroides und Acinetobacter verringert, dagegen finden sich vermehrt Firmicutes- und Proteobakterien.
All dies deutet darauf hin, dass das Mikrobiom des Darms gestört ist. Ob diese Störung allerdings als Ursache oder aber als eine Folge des Reizdarmsyndroms anzusehen ist, ist bis dato noch unklar. Sicher ist dagegen, dass es sich um eine „Stellschraube“ in Bezug auf die Erkrankung handelt.
Zur Justierung dieser Stellschraube lassen sich Probiotika sehr gut einsetzen. Mithilfe lebender Bakterien und Hefepilze, welche in der Regel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels mit einer bestimmten Zusammensetzung und spezifischen Menge Probiotika. Die in Probiotika enthaltenen Bakterien und Pilze werden den gesundheitsfördernden Mikroben zugrechnet- Sie tragen zur Darmgesundheit bei, indem sie für eine Stärkung der Darmbarriere sorgen und pathogene Bakterien bekämpfen. Ob Probiotika zur Behandlung des Reizdarmsyndroms der Weisheit letzter Schluss sind, ist offen. Allerdings, so die Meinung verschiedener Experten, haben sie eine positive Wirkung auf den menschlichen Körper. Dieser Ansicht ist auch die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, kurz DGVS, denn sie hat in ihre Leitlinien zur Therapie des Reizdarmsyndroms bereits im Jahr 2011 Probiotika aufgenommen.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen für die Betroffenen?
Fakt ist, dass es zur Linderung der Symptomatik des Reizdarmsyndroms keinesfalls ausreichend ist, vermehrt Lebensmittel, in denen Probiotika enthalten sind, zu konsumieren. Vielmehr ist es – um eine therapeutisches Wirkung zu erzielen – notwendig, auf präbiotische Präparate in hohen Dosierungen zurückzugreifen, denn nur wenn ausreichend lebende Bakterien in den Darm gelangen, kann das Mikrobiom positiv beeinflusst, d.h., reguliert, werden. Von Bedeutung sind zudem die jeweiligen Bakterienstämme. Folgt man abermals den Leitlinien der DGVS für Patienten mit Reizdarmsyndrom, sollten vorrangig Stämme wie Lactobacillus casei Shirota oder Bifidobacterium infantis eingenommen werden, wenn die Betroffenen unter Blähungen leiden. Haben Sie dagegen Durchfall oder Verstopfungen, bietet sich die Verabreichung von E. coli Nissle an. Es im jeweiligen Fall wirklich hilft, muss eventuell Schritt für Schritt durch Ausprobieren evaluiert werden.
Dementsprechend ist es notwendig, dass Betroffene, bis eine wirksame Kombination aus Probiotika gefunden ist und die gewünschte Wirkung eintritt, ein wenig Geduld mitbringen. Meist dauert es mehrere Wochen, bis die Behandlung anschlägt. Ob dies allerdings wirklich gelingt, ist nicht vorhersagbar. Während Probiotika bei manchen Menschen gute Wirkungen erzielen, ist dies bei anderen nicht der Fall, teilweise bemerken diese weder eine Verbesserung, noch eine Verschlechterung. Warum sich dies so verhält, ist eine der zahlreichen offenen Fragen in Bezug auf Probiotika. Um Antworten zu erhalten, sind weitere Forschungen notwendig.
Wie gestaltet sich die Studienlage zum Reizdarmsyndrom und Probiotika?
Um diesbezüglich eine klare Antwort zu geben, ist es notwendig, zuerst den Begriff „Studien“ bzw. „Studienlage“ näher zu bestimmen. Fallen unter den Begriff auf die Erfahrungsberichte selbsternannter Experten, dann ist die Studienlage nahezu unübersichtlich. Zudem sollten die Aussagen dieser Erfahrungsberichte mit Vorsicht genossen werden, denn oftmals lassen die Hersteller von Probiotika diese veröffentlichen, um auf diese Weise sowohl Absatz als auch Umsatz zu vergrößern.
Daneben gibt es allerdings auch Studien aus dem medizinischen Bereich – ihre Anzahl ist jedoch begrenzt. Fakt ist: Zahlreiche Patienten, die unter dem Reizdarmsyndrom leiden, probieren Probiotika aus. Ob diese tatsächlich wirksam sind, dafür gibt es durch klinische Studien keine Evidenz.
Von der Universität Tübingen, genauer, der Abteilung für Psychosomatische Medizin, wurden 56 klinische Studien in einem systematischen Review ausgewertet. Allerdings kommt auch das Review zu dem Ergebnis, dass die bis heute durchgeführten Studien keine eindeutigen Schlüsse in Bezug auf die Wirksamkeit von Probiotika bei Reizdarm zulassen. Um zu aussagekräftigen Ergebnisse zu kommen, sei es – so eine zentrale Aussage – notwendig, in künftigen Studien das methodische Vorgehen zu optimieren. Folgende Aspekte gelte es diesbezüglich zu berücksichtigen.
- Grundsätzlich müssten Studien eine ausreichende Stichprobengröße aufweisen. Aufgrund der hohen Placebo-Variabilität sei die Durchführung von klinischen Studien, an denen weniger als 100 Probanden teilnehmen nicht sinnvoll. De facto würden Probiotika dann häufiger, und zwar fälschlicherweise, als unwirksam bewertet.
- Zudem müssten sich die Kriterien zum Einschluss und dem Ausschluss der Probanden exakt an die Vorgaben der Europäische Arzneimittel-Agentur sowie der Behörde für Lebens- und Arzneimittel der USA zur Durchführung klinischer Reizdarm-Studien orientieren.
- Darüber hinaus sei eine Beschränkung der Stichprobe auf einen der existierenden Reizdarm-Subtypen notwendig.
- Die im Rahmen der Studie eingesetzten Probiotika müssten einen exakt festgelegten Bakterienstamm aufweisen, so dass nach Abschluss der Studie deutlich wird, welcher Stamm eine nachgewiesene Wirkung verursacht hat.
- Die Probanden bzw. ihr jeweiliger Zustand müssten in genau definierten Intervallen untersucht werden. Zudem sei es notwendig, dass die Probanden Symptom- und Ernährungstagebücher führen.
Fazit: Probiotika und Reizdarmsyndrom
Betrachtet man die Gesamtheit der Probanden, die an den 56 Studien teilgenommen haben, wird deutlich, dass mehr Betroffene von der Einnahme von Probiotika profitiert haben. In einer Vielzahl der Studien wird konstatiert, dass sich die Lebensqualität der Betroffenen durch die Einnahme von Probiotika deutlich verbessert hat. Und dies, obschon nicht grundsätzlich nachgewiesen werden konnte, dass spezifische Symptome wie beispielsweise Durchfall, Verstopfung oder Schmerzen gelindert wurden.
Von Interesse ist, dass weder die Stämme der Lactobazillen noch der größte Teil der Syccharomyce, also der Hefen zu einer signifikanten Wirkung geführt haben. Anders gestaltet sich dies bei dem Stamm der Bifidobakterien, denn ihre Einnahme führte zu Verbesserungen. De facto stellen Bifidobakterien künftig eine Option zur klinischen Behandlung von Reizdarm dar. Nichtsdestotrotz ist die Durchführung weiterer Studien notwendig, so dass die Beweislage belastbarer wird und eindeutige Schlüsse gezogen werden können.